Historie von Arno Klien

Wir wissen, dass durch das Wirken von Sondre Auersen Norheim (1825-97) in der Landschaft Telemark in Norwegen, das zu dieser Zeit mit Dänemark vereint war, Wesentliches für die Entwicklung des Skilaufes erfolgt ist. So wurde in seinem Milieu eine Bindung entwickelt, die ansatzweise trotz der Weidenzweige, Diagonalzug erzeugte; weiters wurden die Ski bewusst mit einem sidecut von 15mm versehen, sei es zum Schutz der Weidenzweige unter dem Fußballen beim Stemmloch und/oder aber um besser nach dem Aufsprung, im Auslauf abschwingen zu können bzw. gleich wieder ein Stück bergwärts zu fahren…Die Kurve am Ski war geboren! Darüber hinaus förderte er das Springen, das Kurvenfahren aus Freude an der Bewegung, machte Kunststücke auf Ski und führte auch Rennen durch.

Jäger auf Ski, 12.500 Jahre. Älteste Felszeichung, Dundebulake / Altay

Fridtjof Nansen (1861-1930) eine schillernde Persönlichkeit seiner Zeit, wurde zunächst bekannt durch seine Expedition durch Grönland 1888/89, die er in seinem Buch „Paa Ski over Grönland“ 1890 beschrieben hatte. Sein Hohelied auf die Benützung von Ski löste in (Mittel-) Europa jenen Skiboom aus, der sich alsbald über die ganze Welt ausbreiten sollte.

Aber schon vorher hatten norwegische Auswanderer, die im Goldrausch um 1850 in Australien bzw. besonders in Amerika ihr Glück versuchten, den Skilauf mitgebracht; gefahren wurde natürlich mit freien Fersen…

Es gab Rennen zu viert wie heute Telecross, Wettfahrten durch Tore, ab 1853 sogar den 1. Profizirkus, Geschwindigkeitsrennen, wo bis an die 100km/h erreicht wurden (PolednikS.27).TableRock1869:

Die ersten Menschen, von denen bekannt wurde, dass sie ihre Ski mit nach Amerika brachten, waren die Einwanderer Gullik Knudsen und die Brüder Ole und Ansten Nattestad aus Numedal in Norwegen und zwar im Jahre 1841 (Eriksen S.20). Später wurde Thorsten Rye, besser bekannt als Snow-shoe-Thomson, jene Skilegende, der von 1854-74 die Postsäcke im Winter per Ski über die Sierra Nevada von Placerville nach Genoa beförderte.

Es ist daher nicht von ungefähr, dass der moderne Telemarkskilauf seinen Weg aus Amerika zurück fand nach Europa, insbesondere nach Mitteleuropa. In Skandinavien jedoch hatte sich der Skilauf mit freier Ferse ohne Unterbrechung als Sportart erhalten, wobei der Langlauf eine wesentliche Rolle spielte.


Die Wiedergeburt des Telemark begann etwa so:

Der zehn Jahre alte Rick Borkovec war mit seinem Vater Skilaufen, als er einen Burschen sah, der merkwürdige Bögen machte und dabei sehr stark ins Knie ging. Er fand das lustig, fragte seinen Vater, was das wohl sei; dieser erzählte ihm, das wäre ein Telemarkbogen, den er da erstmals sah. Später, als er nach Crested Butte gezogen war, hatte sich Rick bei einem Rennen verletzt. Zwecks Wiederherstellung seiner Gesundheit benützte er Langlaufski. Seine Freunde und er durchquerten mit Cross-Country-Ski die Gegend und fuhren auch damit ab, z.B. vom Ohio Creek in den Mill Creek und den Castle Creek. Sie experimentierten mit Körperposition, Gewichtsverteilung und waren bald imstande, fast in jedem Gelände mit Fellen aufzusteigen und dann auch mit dieser Ausrüstung abzufahren.

Rick und seine Kameraden stöberten in der Skiliteratur und wurden fündig im Buch von Stein Eriksen „Come Ski With Me“ aus dem Jahre 1966.

Sie fanden auf Seite 20 ein altes Bild von dessen Vater Marius, aufgenommen im Jahre 1907, wie er einen schönen Telemark-Schwung ohne Stock in den Schnee setzte.

Man schrieb das Frühjahr 1971. Rick Borkovec arbeitete beim Pistendienst in Crested Butte/Colorado, das von hohen Bergen umgeben ist. Zuerst versuchten sie mit einer alten Militärkanone die Lawinen abzuschießen, was nur sehr ungenau gelang. Später fanden er und seine Kameraden es besser, die Sprengladungen selbst aus zu legen, wobei sie ihre Free-Heel-Ausrüstungen verwendeten.

Rick nahm Kontakt mit Skifirmen auf, um Metallkanten an die Cross-Country Ski anzubringen. Im Feber 1976 schrieb er den ersten Telemark-Artikel im Skiing magazine.

Es war auf denselben Hängen, auf denen vor hundert Jahren der legendäre Briefträger Al Johnson dahin glitt; hier schrieb eine Gruppe von Skienthusiasten Skigeschichte, die sich allesamt dem Skilauf mit freien Fersen verschrieben hatten: um Rick Borkovec scharten sich Leute wie Dough Buzzell, Craig Hall, Greg Dalbey, Jack Marcial und andere. Damals war Telemark fast verboten an vielen Hängen, sogar in Gebieten wie dem Arapahoe-Basin oder Aspen!

So wurde Crested Butte der Nabel des modernen Telemark-Schwunges.

Zwei weitere Amerikaner wirkten durch ihre Bücher ebenfalls nachhaltig: Steve Barnett (1978: Cross-Country Downhill) und Ned Gillette.

Wie sich kürzlich herausstellte, sind einige Leute schon ab1979 mit den damals üblichen Wander- oder Loipeskiern samt Aluminiumkante, wie der Ski von Track, Telemark in Europa gefahren, weil die damals noch üblichen Langlauf-Pin-Bindungen Ballendruck auf dem hinteren Fuß zuließen; das vermeldeten John Falkiner und Marc Shapiro. Mit der Umstellung auf andere Bindungssysteme im Langlaufbereich anfangs der Achzigerjahre wie Salomon, Tyrolia u.a., wurde der Telemarkbogen infolge der plattenartigen Schuhsohlen nur mehr ansatzweise möglich und verkümmerte in der nordischen Szene. – Das allerdings verstärkte die Revivalchancen des Telemark mit den adaptierten 3-Pin-Bindungen von Rottefella, Chuinard und Villom.

Ein Internationales Treffen zu Ausbildung von Telemarkskilehrern versammelte die damalige Szene in Hovden-Hemsedalen/N im Jahre 1982, darunter auch Jacinto Verdaguer aus Spanien/Andorra, wobei 15 Teilnehmer aus 8 Nationen, drei sogar aus Japan mit Susumu Sugiyama, dabei waren. Auch Österreich war vertreten mit Franz Hartweger, Erich Fischer und Ludwig Tengg.

1980 bildeten die Berufsskilehrer von Amerika (Professional Ski Instructors of America, PSIA) ein Demoteam unter der programmatischen Leitung von Don Portman und Eric Sanford, das die moderne Telemarktechnik/ “Turn of the century“ und ihre Unterrichtsweise erstmals auf dem Interskikongress von Sexten/Pustertal in Italien 1983 weltweit vorführte (Parker S. 21). Auf dem Interski-Kongress 1991 in St. Anton/Österreich zeigten wir Österreicher eine viel beachtete Vorführung zur Eröffnung, in Nozawa Onsen/Japan 1995 hatten bereits viele Nationen Telemarker in ihren Teams, ab dem Interski-Kongress in Beitostölen/Norwegen (1999) gehörte Telemark ganz einfach dazu und am 18.Interski/Pyeong Chang/Korea (2007) gab es einschlägige lectures und workshops.

Im selben Winter 1983 im Feber/März also tourte der Canadier Pat Morrow, Extrembergsteiger/“Seven Summits“, Fotograf und Filmemacher, mit dem Karhu- Promotionteam durch die Alpen, um das Telemark-Revival in Gang zu setzen. Sie waren in Andermatt, Chamonix, Wengen, Davos, machten auch in Kitzbühel am 17.2.1983, in Innsbruck und Cortina Station. Erstmals wurde die Haute Route mit Telemarkski geschafft! Sein Filmteam bestand aus dem Karhu-Repräsentanten und Teammanager Allen Slade, Martyn Williams, Brian Finnie und Kameramann Roger Vernon, weiters Bart Robinson, Maureen Garrity und Lauri Ann Speed. In Verbier trafen sie auf die Gruppe um John Falkiner und Ace Kvale, Marc Shapiro, Craig Hesse, Sean Mc Namara, Tom Day, Mike Powers. Sie begeisterten sie fürs Telemarken und überließen ihnen einige Ausrüstungen. Zusammen mit zwei Lehrerinnen aus Schweden gab es dann etwa 10 fanatische Telemark-Skiläufer in Verbier, sodass dieser Ort zu einem frühen Hot spot in Europa wurde. Später stieß auch der Californier Bob Mazarei dazu.

Im gleichen Jahr sah ich (Arno Klien) Ausschnitte von jenem Karhu – Promotion – Film „Freedom of the heels“ im Österreichischen Fernsehen: von der Seite aufgenommen, war das harmonische Auf und Nieder, dieses elegante schrittweise Ski-Laufen bergab zu sehen…Das hinterließ bei mir (Arno Klien) einen tiefen, wunderbaren Eindruck, fantastisch! Ich beschloss, auf meinen Sommer-Ski-Camps in Kaprun/Kitzsteinhorn Telemark zu integrieren und seit dem lässt mich dieser Virus nicht mehr los!

Zuerst galt es Ski zu besorgen; das war noch relativ einfach, da die Firma BLIZZARD, mit der ich seit meinem Japanaufenthalt (1964) kooperiere, Telemarkski für Norwegen produzierte. Sport-Bründl, unser Partner vor Ort, war gerade dabei den Langlaufbereich von der 75er-Norm auf eine neue um zu stellen; wir, mein Freund Adi Müllner und ich, suchten uns aus dem Berg von alten LL-Schuhen die höheren, steiferen heraus, und eine Rottefella-3Pin-Bindung brachte uns Manfred Gschaider von Sport-Schuster aus München mit. Die Selbsterfahrung damit war ein eigenes Kapitel.

In diesen Tagen sahen sie damals außer einem Schweizer, keinen anderen Telemarker…

Bob Mazarei traf selbst 1987 keinen in Innsbruck, St. Anton, St. Moritz, Zermatt oder Chamonix!

In Italien zählten zu den ersten Freiferslern Giorgio Daidola, Luca dalla Palma, Luca Gasparini und Damiano Bormolini.

In Deutschland waren es die Pioniere Harro Mulzer und Peter Lindecke.

Der DSV jedoch wertet den 1981 wieder öfter zu sehenden Telemark als „gefährlichste Fahrtechnik“ und drohte 1983 in einem „Erlass“ dem Leiter des nordischen Lehrteams Karl Buhl und allen Ausbildern mit dem Ausschluss, falls sie den Telemark unterrichten sollten.

In der Schweiz wurde 1985 in Engelberg der erste Telemarkskiklub gegründet.

Viele dieser Telemarker in Europa kamen aus dem Freestyle-Lager und waren auf der Suche nach etwas Neuem.

In Österreich begannen wir mit Manfred Gschaider, Peter Gangl und einigen Freunden 1983/84. Mit dem Telemark-Blues (1986) setzte Manfred Gschaider einen filmischen Meilenstein in Europa. Im Jahre 1989 wurden die Weltmeisterschaften im Telemarkskilauf erstmals in Österreich ausgetragen in St. Anton am Arlberg, an denen ich selbst teilnehmen durfte; es waren bereits die dritten nach Hemsedal 1987 und St. Gervais 1988.

Die Ski damals waren sehr schmal; an der breitesten Stelle – der Schaufel, nicht breiter als 73mm, Radien durchwegs über 100m, ähnlich dem Wander- oder Loipeski; die Schuhe aus Leder mit Fiberglasversteifungen im Knöchelbereich, sowie meist einer Stahlspange in der Sohle…

1999 wurde im Rahmen des Internationalen Skikolloquiums (ISK) in Hintertux die 1.Int. Telemarkacademy von Arno Klien einberufen, um die Lehrweisen mit den Vertretern unserer Nachbarländer zu diskutieren.

Heute hat der Skilauf mit freier Ferse einen festen Platz in der Schneesportszene, bei den Freeridern, NewSchoolern, den Tourengehern, als Trainingsmittel der alpinen Rennläufer/innen, in der Ausbildung von Skilehrern und Instruktoren. Selbst die Jugend hat Telemarken entdeckt und findet es cool…

Zahlreiche Events beleben die Szene, wie das Stubaier Telemarkfestival, die FreeHeelGames in Gargellen, die Skieda/FreeHeelFest in Livigno und viele andere. Telecross und Mastersveranstaltungen gehören dazu.